Admiral “sticht in See”

CSLI Navy Corps mit Schrift 200

Admiral „sticht in See“

Bericht von Spectator
Fotos von L. Gellert und Klaus Lobemeyer

Vom 9. bis 11.7. ist unser Generalbevollmächtigter und Admiral des Navy Corps Lothar Gellert auf hoher See gewesen.

Als Teil der Stammcrew des Großseglers „Großherzogin Elisabeth“ ging die Reise von Elsfleth an der Weser bis nach Helgoland und zurück. Die „Großherzogin Elisabeth“ oder auch liebevoll „Lissi“ genannt ist ein Drei-Mast-Gaffelschoner holländischer Bauart. Sie ist insgesamt 65 lang und gehört dem „Schulschiffverein Großherzogin Elisabeth“, der in Elsfleth beheimatet ist.

Bild von Lissy

Aber lassen wir unseren Admiral von diesem Törn berichten:

Freitag, 9.7.2021 Gegen Mittag beginnt das Abenteuer „Großsegler“ mit der gemütlichen Fahrt per PKW nach Elsfleth an der Weser
Freitag, 9.7.2021, 15.30 Uhr Ankunft im Hafen von Elsfleth an „meinem“ Schulschiff „Großherzogin Elisabeth“, der seinerzeit als „San Antonio“ vom Stapel lief.
Freitag, 9.7.2021, 16.00 Uhr Die Schiffsglocke wird plötzlich angeschlagen und zwar mit 4 Doppelschlägen. Das nennt man „Glasen“.

Warum 4 Doppelschläge?

Auf der Lissi werden immer 4-Stunden-Wachen gegangen, beginnend ab Mitternacht.

Für jede halbe Stunde der Wache wird die Glocke einmal angeschlagen, beim Ablauf der ersten Stunde zweimal, nach 1,5 Stunden erfolgt ein Doppelschlag plus einem Einzelschlag, nach 2 Stunden folgen 2 Doppelschläge, nach 2,5 Stunden 2 Doppelschläge plus ein Einzelschlag, nach 3 Stunden 3 Doppelschläge, nach 3,5 Stunden 3 Doppelschläge plus ein Einzelschlag und nach 4 Stunden (Wachende) 4 Doppelschläge.

Normalerweise hätte eine Wache um 12.00 begonnen. Um 16.00 Uhr wären also 4 Stunden der Wache vorbei gewesen. Daher also die 4 Doppelschläge um 16.00 Uhr.

Wir versammeln uns auf dem Brückendeck und es erfolgt eine kurze Einweisung der Mannschaft und Einteilung der Wachen. Gleichzeitig werden ca. 30 zahlende Gäste begrüßt, die als „Trainees“ mit in die Wach-Aufteilung integriert werden.

Der Dienst ist wie gesagt eingeteilt in 4 Stunden Wache, 4 Stunden Freiwache, 4 Stunden Freizeit und wieder 4 Stunden Wache, 4 Stunden Freiwache, 4 Stunden Freizeit.

In der Freiwache sind die Besatzungsmitglieder für eine bestimmte Zeit von Aufgaben auf dem Schiff freigestellt und können ihren eigenen Interessen nachgehen (schlafen, musizieren, Reiseberichte schreiben). Allerdings können die Freiwächter bei plötzlich anfallenden Aufgaben, die von der normalen Wache nicht allein erledigt werden können, herangezogen werden. Da hört man das Kommando „All hands on deck“ oder „Alle Mann an Deck“.

Ich habe Glück und werde zur sogenannten 8-12-Wache eingeteilt. Mein Dienst beginnt also morgens und abends um 8.00 Uhr und endet um Mittag bzw. Mitternacht.

Freitag, 9.7.2021, 17.30 Uhr Endlich kommt das Kommando „Bug- und Heckleinen sowie Vorder- und Achterspring los“ und die das Schiff am Kai haltenden Taue und Leinen werden von den Pollern an Land losgemacht und eingeholt. Die Reise kann beginnen.

Obwohl meine Wache noch nicht begonnen hat, werden bei diesem Manöver alle Hände gebraucht, um das Tauwerk wieder richtig einzuholen und sachgerecht zu legen.

Die Reise beginnt mit einer langsamen Fahrt die Hunte hinauf Richtung Bremerhaven und durch das Huntesperrwerk. Die Durchfahrt ist hier sehr eng, so dass der Steuermann und der Rudergänger, der die Kommandos des Steuermannes durch Drehen des Steuerrades umsetzen muss, höllisch aufpassen müssen, dass die Strömung das Schiff nicht gegen die Wände des Sperrwerkes drückt.

[Foto vom Sperrwerk]

Freitag, 9.7.2021, 20.00 Uhr Meine erste Wache beginnt. Zunächst mache ich mir erstmal ein Bild von der Brücke und bin erstaunt, wieviel Technik hier vorhanden ist, die gleichzeitig überwacht werden muss. Das erklärt auch die Anzahl der Personen als Brückenwache.

Die erste Brückenwache als Ausguck auf der Brückennock gehe ich mit einem erfahrenen Seemann, der mir erklärt, worauf ich beim Ausguck achten muss und wie ich was dem Steuermann melden muss.

Da wir mit ablaufendem Wasser ausgelaufen sind und langsame Fahrt machen, können wir nicht in einem Stück ins offene Meer fahren, weil uns dann irgendwann die erforderliche Wassertiefe unter dem Schiff fehlen würde.

Also gibt der Kapitän den Befehl „Anlegen an dem Seebäder-Ponton in Bremerhaven“ zum Aussitzen der Tiede.

Dort kann natürlich nicht jeder nach Belieben an- und ablegen. Also muss die Küstenfunkstelle Bremerhaven über unseren Plan informiert und die Genehmigung eingeholt werden, wobei diese Genehmigung nur für das Festmachen ohne Landgang gilt.

Neue Weiterfahrt ist für 02.30 Uhr geplant.

Meine Wache ist dadurch schnell zu einer so genannten „Ankerwache“ geworden. Das bedeutet, das der Ausguck nicht mehr erforderlich ist.

Stattdessen wird mir erklärt, dass ich jetzt zur so genannten „Feuerronde“ gehen müsste. Mit einem anderen Crew-Mitglied gehen wir also durchs Schiff und schauen an ganz bestimmten vorgegebenen Stellen, ob kein Feuer ausgebrochen ist. Dieses Gehen der „Feuerronde“ findet in jeder Wache statt.

Freitag, 9.7.2021, 23.30 Uhr Die ersten Vorbereitungen für den Wachwechsel werden vorgenommen: Für die aufziehende Wache, die ab Mitternacht Dienst hat, muss Kaffee gekocht werden und der Tisch in der Messe, in der die Mahlzeiten eingenommen werden, muss für die aufkommende Wache gedeckt werden.

Dann müssen die Kameraden der aufziehenden Wache geweckt werden. Wir gehen also von Kammer (hier heißt es tatsächlich nicht Kabine oder Kajüte, sondern Kammer) zu Kammer und wecken die Kameraden, die gleich ihren Dienst antreten müssen.

Pünktlich um Mitternacht wird mit 4 Doppelschlägen geglast. Die abziehende und die aufziehende Wache stellen sich vor der Brücke gegenüber auf, wobei die jeweiligen Wachleiter sich gegenüberstehen.

Der Leiter der abziehenden Wache informiert den Leiter der aufziehenden Wache über Kurs und Geschwindigkeit und etwaige besondere Gegebenheiten.

Dann wünscht die abziehende Wache der aufziehenden Wache eine „Gute Wacht“ und die aufziehende Wache der abziehenden Wache eine „Gute Ruh“.

Damit ist meine erste Wache beendet.

Es ist guter Brauch, dass nach Wachende der Wachleiter zu einem so genannten „Besanschot An“ einlädt, das heißt die Wachmannschaft setzt sich noch für einen Absacker in der Messe zusammen und klönt.

Samstag, 10.7.2021, 02.30 Uhr Ich werde durch sanftes Rütteln des Schiffes aus dem Schlaf geweckt. Ach ja, das war ja noch was: Ablegen vom Seebäder-Ponton. Das wird von der jetzt im Dienst befindliche Wache erledigt.
Samstag, 10.7.2021, 7.00 Uhr Jetzt heißt es „Raus aus den Federn“.

Nach Waschen und Anziehen ein Blick durch das Bullauge: Es ist noch etwas diesig, also besser wärmere Sachen anziehen und die dicke Regenjacke mitnehmen.

Dann geht es zum Frühstück, das jeden Tag ausgezeichnet ist.

Samstag, 10.7.2021, 8.00 Uhr Antritt der Wache vor der Brücke zum Wachwechsel.

Zunächst stehe ich noch auf der Brücke und warte auf meinen Einsatzbefehl, als der Rudergänger mich fragt, ob ich nicht mal das Ruder übernehmen will, natürlich unter Aufsicht, denn ich mache das ja zum ersten Mal.

[Foto von mir am Steuerrad].

Das ist natürlich etwas, wovon jeder „Seebär“ träumt, ein großes Segelschiff zu steuern.

Jetzt meldet der Rudergänger dem Steuermann „Ich übergebe das Ruder mit Kurs 2-1-0“ (nicht 210, sondern die Zahlen werden einzeln gesprochen) und ich melde dem Steuermann „ich übernehme das Ruder bei 2-1-0“

Der Steuermann, auf der Lissi sind es Absolventen des Nautikstudiums an der Jade-Hochschule, hält ständig den Bildschirm im Auge, auf der der jetzige Kurs der Lissi zu sehen ist. Dadurch kann er selbst Fahrrinnentonnen, Hindernisse oder anderen Schiffsverkehr beobachten und den Kurs entsprechend ändern.

Das geschieht z. B. durch den Befehl „Neuer Kurs 2-2-5“ und der Rudergänger wiederholt „Neuer Kurs 2-2-5“. Jetzt muss das Steuerrad von 2-1-0 Grad auf 2-2.5 Grad gedreht werden. Es ist erstaunlich wie langsam das Schiff hierbei dreht.

Wenn der Kompass den neuen Kurs anzeigt, meldet der Rudergänger „Kurs 2-2-5“ liegt an. Bereits vorher muss dafür gesorgt werden, dass das Ruderblatt wieder in Fahrrichtung zeigt. Zum Kurswechsel hat sich ja auch die Stellung des Ruderblattes geändert. Also folgt der Befehl „Ruder Mittschiffs“ und das Steuerrad muss wieder so gedreht werden, dass auf dem so genannten Ruderlageanzeiger der Zeiger genau zwischen Steuerbord (rechte Seite des Schiffes) und Backbord (linke Seite des Schiffes) liegt.

So vergehen die Stunden bis Mittag wie im Flug.

Samstag, 10.7.2021, 12.30 Uhr Ankunft Helgoland.

Da ich ohnehin wachfrei habe und keine besondere Aufgabe erledigen muss, helfe ich beim Anlegen, indem ich kurz vor der Berührung des Schiffes an der Kaimauer den so genannten „Fender“ über Bord hänge. Das sieht aus wie ein riesiger Luftballon und hat die Aufgabe, den Stoß des Schiffes gegen die Kaimauer abzufangen. Die Fenderleine wird dann mit einem speziellen Seemannsknoten an der Reling befestigt.

Dann wird die Gangway ausgefahren und alle können an Land gehen bis auf die so genannte Ankerwache.

Zeit, ein bisschen die Insel zu erkunden.

[Fotos von Helgoland]

Samstag, 10.7.2021, 18.00 Uhr Ablegen von Helgoland. Das Gerücht macht die Runde „Der Alte will baden gehen“. Und tatsächlich wird ein Kurs vorgegeben, der uns halb um die Insel herumführt. Dann wird das Schiff aufgestoppt und es heißt, wer schwimmen will, Badesachen anziehen und entweder von Bord springen oder über die Leiter ins Wasser klettern.

Einige Mutig nutzen diese Möglichkeit der Erfrischung.

Samstag, 10.7.2021, 20.00 Uhr Wachbeginn. Es ist herrliches warmes Wetter. Ich habe Dienst auf der Brückennock Backbord mit Blick auf die „Lange Anna“ von Helgoland, einem Gesteinsgebilde

[Foto von der langen Anna]

Wir nehmen langsam wieder Fahrt auf. Ich stehe im warmen Wind auf der Brückennock und kann einen wunderbaren Sonnenuntergang im Meer anschauen.

[Fotos vom Sonnenuntergang]. Bei diesem schönen Wetter möchte man die Brückennock gar nicht mehr verlassen. Aber es gibt noch andere Aufgaben zu erfüllen.

So zeigt mir ein Crewmitglied bei dieser Wache, wie man „Wetter macht“. Das heißt, die für das Logbuch erforderlichen Wetterdaten erfasst. Das sind Luftdruck, Lufttemperatur, Wassertemperatur, Luftfeuchtigkeit, Windstärke und Windrichtung und Wellendünung. Zur Erfassung der Wassertemperatur wird ein Außenbordthermometer an einer langen Leine ins Meer geworden. Dieses Gerät ist innen hohl, so dass sich Meerwasser darin sammeln kann, so dass anhand des angebrachten Thermometers die Wassertemperatur abgelesen werden kann.

Die Eintragungen ins Logbuch macht dann der Steuermann.

Sonntag, 11.7.2021, 08.00 Uhr Meine letzte Wache beginnt.

Wieder scheint die Sonne und ich genieße die Wärme auf der Backbordnock.

Dann bittet mich der Steuermann, selbst „Wetter zu machen“ und die Eintragung ins Logbuch vorzunehmen.

Also wende ich da an, was ich gestern gelernt habe und tatsächlich gelingt es mir, die erforderlichen Daten zu ermitteln und sie richtig in das Logbuch einzutragen.

Um 11.15 Uhr findet die Bord-Messe durch unseren Kapitän statt. Alle Anwesenden versammeln sich auf dem Brückendeck und es findet ein kleiner Gottesdienst statt. Als besondere Aufgabe hatte der Kapitän allen Mitfahrern am Freitag den Auftrag gegeben, im Internet nach dem Lied „The Wellerman“ zu schauen, einem englischsprachigen Seemannslied. Da er wusste, dass ich unter anderem Akkordeon spiele, hatte ich den besonderen Auftrag bekommen, dieses Lied auf dem Akkordeon zu begleiten.

Nun fand also bei der Messe auf dem Brückendeck die Premiere statt und es alle sangen kräftig mit, mehr oder weniger falsch.

So verging die Zeit bis Wachende.

Sonntag, 11.7.2021, 15.00 Uhr Ankunft in Elsfleth bei Regen

Wieder mussten „All Hands“ beim Anlegemanöver helfen. Nachdem die zahlenden Gäste von Bord gegangen waren, gingen die Aufräumarbeiten los, an denen sich die gesamte Mannschaft beteiligen muss: So mussten die Kammern der zahlenden Gäste gereinigt werden, alle Luken geschlossen, das Rettungschlauchboot abgedeckt, bestimmte Flaggen eingeholt und auf der Brücke verstaut werden usw.

Gegen 17.00 Uhr war dieser Teil der Arbeit erledigt und ich konnte von Bord gehen.

Es war ein unvergleichlich schönes Erlebnis, Teil dieser Besatzung zu sein und ich freue mich bereits auf meinen nächsten Törn. Diese Törns sind übrigens Teil des Matrosenausbildungsprogramms, so dass man nach bestandener Prüfung (irgendwann) als Matrose irgendwo anheuern könnte.

Bericht: Lothar Gellert

Fotos: Lothar Gellert, Klaus Lobemeyer

Bildimpressionen:

Außenbordthermometer  Badezeit bei Helgoland  DSC_0591  DSC_0597  DSC_0599  DSC_0609  DSC_0617  DSC_0628  Ich am Steuerruder  IMG_4128 - Kopie  IMG_4146 (1) - Kopie  Insel Helgoland